Vollkost vs. fleischlos - Was ist gesünder?
20.02.2015 — Bringt vegane Ernährung die Bikinifigur zurück und ist darüber hinaus auch noch gesund? Oder riskiere ich damit Nangelerscheinungen? Über diese Fragen sprach Serviceplus mit dem Ernährungsmediziner Prof. Dr. med. Johannes Wechsler.
Professor Wechsler, ist vegane Ernährung eine geeignete Frühjahrsdiät?
JOHANNES WECHSLER Um Gewicht zu reduzieren, ist es durchaus sinnvoll, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Diese Formen der Ernährung haben weniger Kalorien, da sie weniger Fett enthalten. Wir nehmen normalerweise fast 40 Prozent oder 1.000 bis 1.500 Kalorien unserer Energiezufuhr aus Fett zu uns. Wer auf vegane Ernährung umsteigt, nimmt pflanzliche Fette zu sich, aber nie in der Menge, die er als tierische Fette in Form von Fleisch, Wurst, Butter oder Käse zu sich nimmt.
Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch oder verzehren bewusst weniger. Ernähren sie sich gesünder als Fleischesser?
WECHSLER Ohne Zweifel. Die Mehrheit aller Studien ergeben, dass Personen, die auf Fleisch und Fett verzichten, tatsächlich besser und gesünder leben, weniger Cholesterin und Fettkonzentration im Blut haben und in Folge dessen deutlich weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte aufweisen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) empfiehlt eine flexitarische Ernährung, also ein- bis zweimal wöchentlich Fleisch. Damit vermeidet man die Nachteile der vegetarischen oder veganen Ernährung, nämlich Eisen- und möglicherweise auch Proteinmangel. Rotes Fleisch führt darüber hinaus zu vermehrter Entstehung von Krebs – Dickdarmkrebs korreliert ganz eindeutig mit der Zufuhr an rotem Fleisch. Wir empfehlen hier schon präventiv, auf weißes Fleisch, wie Geflügel oder Fisch, umzusteigen.
Ist Fleisch nicht gleich Fleisch?
WECHSLER Für die Nachteile von rotem Fleisch gibt es im Moment keine einfache pathophysiologische oder biochemische Erklärung. Aber Daten aus großen Studien belegen diese Nachteile, sind unstrittig und spielen in der Krebsprophylaxe und -therapie eine große Rolle.
Welche Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat fleischlose Kost?
WECHSLER „Fleischlos“ gibt es ja in verschiedenen Kategorien. Die DGE empfiehlt eine flexitarische Ernährung. Dann gibt es Vegetarier, die auch ovo-lactovegetabil sein können, reine Veganer und die Pescetarier, die nicht auf Fischeiweiß verzichten. Es gibt kaum Menschen, die ganz streng eine Form der Ernährung einhalten, ohne abzuweichen – ohne Substitution und ohne zusätzliche Gabe von Eisen oder Vitamin B12. Für Feldstudien ist das eine sehr komplizierte Ausgangssituation. Dennoch: Die Wissenschaftslage ist eindeutig. Veganer und Vegetarier leben länger, haben weniger sogenannte Zivilisationskrankheiten. Wobei die Flexitarier davon durchaus nicht weit weg sind.
Also ist vegan gesund?
WECHSLER Streng vegan heißt Verzicht auf jedes Tierprodukt, auch keine Eier und Milchprodukte. Es ist mir nicht ganz erklärlich, aber es gibt Menschen, die dieser Meinung sind und es auch als Protest gegen die Tierhaltung ansehen. Rein medizinisch ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass eine Kuh gemolken wird. Der Vorteil der Ovo-Lacto-Vegetarier oder auch der reinen Vegetarier ist, dass sie manche Defizite nicht haben, die bei Veganern auftreten. So ist Milcheiweiß ein sehr hochwertiges Eiweiß, zu finden in Käse, Quark oder auch in Joghurt. Joghurt enthält sehr gute Probiotika, also Bakterienstämme, die für die Darmflora präventiv wichtig sind und möglicherweise dafür sorgen, dass kein Krebs entsteht. Ergänzend kommt hinzu, dass Sie als Ovo-Lacto-Vegetarier genügend Calcium aufnehmen. Das können Sie mit einer rein veganen Ernährung fast nicht erreichen. Wenn jemand ganz streng vegan lebt, hat er demnach die typischen Defizite, die auszugleichen sind, speziell bei Eisen, den Vitaminen B und E, Calcium. Das muss man kontrollieren und im Notfall auch substituieren. Erst dann lebt der Veganer genauso gesund wie der Vegetarier oder der Ovo-Lacto-Vegetarier. Ein Veganer, der defizitfrei leben möchte, benötigt eine ausgiebige Ernährungsberatung.
Die Politik hat fleischlose Ernährung als Wahlkampfthema erkannt. Hilft das?
WECHSLER Vegan ist durchaus ein Begriff, der auch in der Öffentlichkeit umgesetzt werden sollte. Was die grünen vor der Bundestagswahl gemacht haben, war politisch falsch, denn eine Partei darf nicht vorschreiben, was wir essen sollen. Aber aus medizinischer Sicht war die Forderung eines Veggie Days richtig und entspricht der Empfehlung der DGE, drei bis vier Tage in der Woche fleischfrei zu leben.
Als weiterer Grund, sich fleischlos zu ernähren, gilt der Tierschutz. Wie ist Ihre persönliche Haltung dazu?
WECHSLER Ich glaube, dass es die wenigsten nur wegen der Gesundheit tun. Bei den meisten spielt Tierschutz eine große Rolle bei der Entscheidung. Man kommt nur von der Massentierhaltung weg – die ohne Zweifel unmenschlich und unethisch ist –, wenn jeder einen Beitrag leistet, indem er weniger oder gar kein Fleisch isst. Betrachten wir die Ökonomie, ist die Produktion von einem Gramm tierischem Eiweiß wesentlich aufwändiger und mit mehr Umweltbelastung verbunden als die Produktion von einem Gramm pflanzlichem Eiweiß. Und da diese fast gleichwertig sind, ist es für die Welternährung, den Klimaschutz und die Ressourcenschonung ein Gebot der Stunde, unsere Produktions- und Ernährungsgewohnheiten dramatisch zu ändern.
Sind Krankheitsbilder durch eine Umstellung auf vegetarische oder vegane Ernährung positiv zu beeinflussen?
WECHSLER Ja. Ich bin von Haus aus Gastroenterologe, beschäftige mich mit Erkrankungen des Verdauungs- und Stoffwechseltraktes. Viele Patienten leiden an einem Reizdarmsyndrom oder Obstipation, also Verstopfung. Diese können wir mit einer ballaststoffreichen Ernährung, wie der vegetarischen, positiv behandeln und ihre Symptome verbessern. Des Weiteren ist messbar, dass bei der Umstellung auf eine vegane Ernährung die Zuckerwerte besser werden, ebenso die Blutfette und in der Regel auch die Harnsäure. Die Kochsalzzufuhr ist geringer. Käse und Wurst enthalten viel Salz, und Fleisch kann man ohne Salz auch kaum essen – das kann der Vegetarier im Kochprozess mit pf lanzlichen Produkten gar nicht erreichen. Der verminderte Kochsalzeintrag führt signifikant zur Blutdrucksenkung. Das ist ebenso wirksam wie Medikamente.
Was machen die meisten Menschen in der Ernährung falsch?
WECHSLER Wir haben einen Überfluss an Nahrungsangebot. Der Mensch reagiert nach dem biblischen Prinzip „Die sieben fetten Jahre“ und isst, solange es etwas gibt. Dann sind die Preise in den Supermärkten so dramatisch niedrig, dass man schon krank sein muss, die Produkte nicht zu kaufen. Fleisch, Joghurt, Brot kosten fast nichts. Das verführt dazu, mehr zu essen, zu einer vermehrten Kalorienzufuhr und das geht am leichtesten über die Schiene Fett. Wenn Sie Fett-Produkte, insbesondere Süßigkeiten, kaufen, sind diese derart mit dem Geschmacksträger Fett aufgepeppt, dass sie den Menschen fast abhängig machen. Dafür sind wir sehr anfällig und nur wenige schaffen es, sich bewusst zu ernähren. Wer auf vegetarische Kost umsteigen will, hat einen ganz anderen Lebensstil und wird sich auch bei anderen Lastern, wie Rauchen und Alkohol, zurückhalten. Damit steigert er seine Lebenserwartung und wird seltener krank.
Professor Wechsler, vielen Dank für das Gespräch!
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